Dispositive von ‚dis/ability‘
im gesellschaftlichen Wandel

(Erwerbs-)Arbeit als biographische Erfahrung und Alltagspraxis im Kontext von (Nicht-)Behinderung

Leitung: Prof. Dr. Anne Waldschmidt, Universität zu Köln
Wiss. Mitarbeit: Dr. Sarah Karim; Fabian Rombach, M.A.
Laufzeit: 2018 – 2024
Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn
Projektkennziffer: 405662445
Webseite: 
http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/405662445

Der gesellschaftliche Umgang mit behinderten Menschen befindet sich seit einiger Zeit in einem grundlegenden Wandlungsprozess. Mit der derzeit laufenden Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich die Dynamik in Richtung Inklusion und Teilhabe noch beschleunigt. Während im Bildungssystem die schulische Inklusion kontrovers diskutiert wird, spielt die (Erwerbs-)Arbeit von Menschen mit Behinderungen in den gesellschaftlichen Debatten bisher nur eine untergeordnete Rolle.

Am Beispiel der zentralen Lebenslage (Erwerbs-)Arbeit und mit Hilfe des Dispositivkonzepts untersucht das Projekt, wie sich die Problematisierungsweisen von ‚dis/ability‘ verändern. In qualitativ-empirischen Untersuchungsschritten werden die Verbindungen zwischen behindertenpolitischen und -pädagogischen Diskursen, programmatischen Anrufungen, gesellschaftlichen Institutionen und alltäglichen Praktiken sowie den Subjektivierungsweisen von Menschen mit Behinderungen herausgearbeitet. Untersucht werden, erstens, in einer diachronen Perspektive die Erwerbsbiographien von zwei Altersgruppen von Männern und Frauen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und, zweitens, auf synchroner Ebene das gegenwärtige Arbeits(er-)leben von Menschen mit Lernschwierigkeiten in Werkstätten und Inklusionsbetrieben.

Als Erhebungsmethoden dienen leitfadenstrukturierte, narrativ orientierte Interviews, ethnographische Beobachtungen und Gruppendiskussionen; die Auswertung erfolgt mittels Diskurs- und Dispositivanalysen; dabei wird im Anschluss an den Intersektionalitätsansatz auch die Interdependenz der Differenzkategorien Gender und dis/ability berücksichtigt. Der integrative Forschungsansatz verbindet Perspektiven der allgemeinen Soziologie, der Soziologie der Behinderung und der Disability Studies. Das Projekt liefert Beiträge zu den aktuellen Debatten über Inklusion, Partizipation und Intersektionalität. 

Publikationen:

  • Karim, Sarah. (2024). Sinnhaft tätig sein im Schatten der Erwerbsarbeitsnorm. Arbeit für Menschen mit Komplexen Behinderungen zwischen Inklusion, Kommodifizierung und Normalisierung. In: Behemoth. A Journal on Social Dis/Order, 17. Jg. (peer review; im Erscheinen).
  • Waldschmidt, Anne / Rombach, Fabian / Karim, Sarah / Prior, Lisa (2024). Und „das Arbeitsamt hat halt gesagt …“: Komplexe Akteure als Dispositivelemente in Erwerbsbiographien von Menschen mit Behinderungen. In: Soziale Probleme. Zeitschrift für soziale Probleme und soziale Kontrolle, 35. Jg., H. 2, S. 202-220 (peer review).
  • Rombach, Fabian / Karim, Sarah / Waldschmidt, Anne / Prior, Lisa. (2024). Bildung mit Barrieren. Exklusion/Inklusion und Exklusivität in bildungsbiographischen Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen. In: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen, 37. Jg. (peer review; im Erscheinen).
  • Karim, Sarah. (2023). Muss es immer (Erwerbs-)Arbeit sein? Von der Kritik an Werkstätten für behinderte Menschen zur Kritik des Leistungsdenkens – und zurück. Beitrag zur Ad-Hoc-Gruppe „Erwerbslosigkeit unter den Bedingungen gesellschaftlicher Transformation. Polarisierung der Erwerbsarbeitsnorm“. In: Villa, Paula-Irene (Hg.): Polarisierte Welten. Verhandlungen des 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bielefeld 2022, URL: https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2022/article/view/1667/1821 (29.09.2023)
  • Rombach, Fabian / Waldschmidt, Anne / Karim, Sarah / Prior, Lisa. (2023). (Erwerbs-)Arbeit mit Hindernissen. Eine dispositivanalytische Perspektive auf biographische Erzählungen von Menschen mit Behinderungen. Beitrag zur Veranstaltung „Jenseits von ‚Stigma‘ und ‚totaler Institution‘: Dis/ability soziologisch denken in polarisierten Welten“ der Sektion Soziale Probleme und soziale Kontrolle. In: Villa, Paula-Irene (Hg.): Polarisierte Welten. Verhandlungen des 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bielefeld 2022, URL: https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2022/article/view/1636/1815 (29.09.2023)
  • Karim, Sarah. (2022). Arbeiten mit Behinderungen. Aushandlungen von Nähe und Distanz am Beispiel einer Werkstatt für behinderte Menschen während der Covid-19-Pandemie. In: Journal für Psychologie, 30. Jg., H. 2, S. 90-110. https://doi.org/10.30820/0942-2285-2022-2-90 (peer review)
  • Waldschmidt, Anne/Karim, Sarah/Ledder, Simon. (2020). Wie lässt sich ‚dis/ability‘ mit Hilfe des Dispositivkonzepts nach Michel Foucault theoretisch denken und empirisch untersuchen? Eine Einführung. In: Brehme, David/Fuchs, Petra/Köbsell, Swantje/Wesselmann, Carla (Hrsg.) Disability Studies im deutschsprachigen Raum. Zwischen Emanzipation und Vereinnahmung. Weinheim (Beltz Juventa), S. 158-164.
  • Karim, Sarah/Waldschmidt, Anne. (2019). Ungeahnte Fähigkeiten? Behinderte Menschen zwischen Zuschreibung von Unfähigkeit und Doing Ability. In: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 44. Jg., H. 3, S. 269-288. DOI:10.1007/s11614-019-00362-3 (peer review)

Vorträge & Workshops:

  • Sarah Karim und Fabian Rombach: „Immer Ärger mit der Normalität? Bericht aus einem Forschungsprojekt zum Erwerbsleben von Menschen mit Behinderungen.“ Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Geschlecht und/in Medizin: Intersektionale Diagnosen und Befunde“, veranstaltet von GeStiK und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, 14. Dezember 2023
  • Fabian Rombach: „Dis/ability als interaktive Aushandlung: Wie in leitfadenstrukturierten Interviews und Gruppendiskussionen (Nicht-)Behinderung entsteht, reproduziert und unterlaufen wird“. Vortrag auf der Tagung „Differenzierungen und Zugehörigkeiten im Forschungsprozess reflektieren. Ein Workshop zu Kategorisierungen und ihren Auswirkungen“, veranstaltet von der Bielefeld Graduate School in History and Sociology, Universität Bielefeld, 19. Oktober 2023 (mit Anne Waldschmidt & Sarah Karim)
  • Sarah Karim: „‚…dass man eigentlich immer kämpft für sein Normalsein…‘. Erwerbsbiographische Erfahrungen behinderter Menschen in Gruppengesprächen“. Vortrag auf der Tagung „Normalität – Begriff und Praxis gesellschaftlicher Konstruktionen aus historischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive“, organisiert von Dr. Carsta Langner & Dr. Clemens Villinger in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Neueste Geschichte/Zeitgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 14. September 2023 (mit Fabian Rombach, Anne Waldschmidt & Lisa Prior)
  • Anne Waldschmidt und Sarah Karim, Universität zu Köln, mit Werner Schneider, Universität Augsburg, im Auftrag der Sektion Soziale Probleme und soziale Kontrolle: Organisation und Durchführung der Veranstaltung „Jenseits von ‚Stigma‘ und ‚totaler Institution‘: Dis/ability soziologisch denken in polarisierten Welten“. Sektionsveranstaltung auf dem 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie „Polarisierte Welten“, Bielefeld, 30. September 2022. Auszug aus dem Kongressbericht: https://www.soziopolis.de/bielefelder-splitter-v-freitag.html#c7614 (05.10.2022)
  • Fabian Rombach: „(Erwerbs-)Arbeit mit Hindernissen: ‚Komplexe Akteure‘ und ‚Biographische Andere‘ als Dispositivelemente in erwerbsbiographischen Erzählungen von Menschen mit Behinderungen“. Veranstaltung der Sektion Soziale Probleme und soziale Kontrolle „Jenseits von ‚Stigma‘ und ‚totaler Institution‘: Dis/ability soziologisch denken in polarisierten Welten“. 41. Soziologiekongress in Bielefeld, 30. September 2022 (mit Anne Waldschmidt, Sarah Karim & Lisa Prior)
  • Sarah Karim: „Muss es immer (Erwerbs-)Arbeit sein? Von der Kritik an Werkstätten für behinderte Menschen zur Kritik des Leistungsdenkens – und zurück“. Ad-Hoc-Gruppe „Erwerbslosigkeit unter den Bedingungen gesellschaftlicher Transformation. Polarisierung der Erwerbsarbeitsnorm?“. 41. Soziologiekongress in Bielefeld, 29. September 2022
  • Sarah Karim: “Doing differences at work: Comparing practices in inclusive and sheltered work institutions for persons with learning difficulties”. Presentation at the annual ALTER conference “Rethinking Institutions and Deinstitutionalisation from a Disability Perspective”, Université Saint-Louis in Brussels, July 8, 2022 (with Anne Waldschmidt & Fabian Rombach).
  • Fabian Rombach: “Working with disabilities: What role do institutions and professionals play in disabled persons’ experiences of labour market participation?” Presentation at the annual ALTER conference “Rethinking Institutions and Deinstitutionalisation from a Disability Perspective”, Université Saint-Louis in Brussels, July 7, 2022 (with Anne Waldschmidt & Sarah Karim).
  • Anne Waldschmidt: “Beyond Erving Goffman’s ‘total institution’: Rethinking institutions for persons with disabilities from the perspective of dispositif analysis”. Presentation at the annual ALTER conference “Rethinking Institutions and Deinstitutionalisation from a Disability Perspective”, Université Saint-Louis in Brussels, July 7, 2022 (with Sarah Karim & Fabian Rombach).
  • Sarah Karim, Fabian Rombach, Lisa Prior: „(Erwerbs-)Arbeit mit Hindernissen: Welche Bedeutung haben ‚relevante Andere‘ im Kontext von (Nicht-)Behinderung?“. Vortrag im Rahmen der Tagung „Interdisziplinäre Perspektiven der adressat*innenorientierten Folgenforschung“ des DFG-Graduiertenkollegs GRK 2493 „Zwischen Adressatlnnensicht und Wirkungserwartung: Folgen sozialer Hilfen“, Universität Siegen, online, 21. Oktober 2021.
  • Anne Waldschmidt: „Wie lässt sich (Nicht-)Behinderung als Folge sozialer Hilfen dispositivanalytisch untersuchen? Ein Werkstattbericht“. Vortrag auf der Tagung „Interdisziplinäre Perspektiven der Folgenforschung“ des DFG-Graduiertenkollegs GRK 2493 „Zwischen Adressatlnnensicht und Wirkungserwartung: Folgen sozialer Hilfen“, Universität Siegen, online, 20. Oktober 2021.
  • Anne Waldschmidt: “Inclusion – Accessibility – Normality: Some Remarks from a Dispositif-Analytical Perspective”. Keynote at the workshop “Access and Tinkering: Designing Assistive Technologies as Political Practice”. Workshop & 3rd meeting of the DFG-Network „Dis-/Abilities and Digital Media“, Humboldt-University Berlin, online, 17th September, 2021.
  • Sarah Karim: “Un/Doing Dis/ability: Die Werkstatt für behinderte Menschen zwischen Schutzraum und Leistungsimperativ“. Forschungswerkstatt auf dem 2. Kongress der Teilhabeforschung, Katholische Fachhochschule NRW & Aktionsbündnis Teilhabeforschung, Münster, 15.-16. September 2021 (in Kooperation mit Prof. Dr. Matthias Otten, Technische Hochschule Köln).
  • Sarah Karim: “Un/Doing Disability while Un/Doing Gender? An ethnographic study on practices in inclusive and sheltered workplaces for persons with learning difficulties”. Presentation in the stream “Beyond the gender binary: Empirical research and conceptual developments in times of transformation” at the 11th international interdisciplinary conference “Gender, Work and Organization”, on “Transforming Contexts, Transforming Selves: Gender in New Times”, University of Kent, UK, online, July 1, 2021 (with Anne Waldschmidt).
  • Sarah Karim: “Un/doing Dis/ability im Arbeitsalltag. Eine vergleichende Analyse von Praktiken in Inklusionsbetrieben und Werkstätten für behinderte Menschen”. Vortrag im Rahmen der Tagung „Arbeitsmarktintegration im Alltag. Inklusionsbedarf von gesundheitlich beeinträchtigten und anderen benachteiligten ArbeitnehmerInnen.“ Technische Universität Berlin, Institut für Soziologie, digital, 3. Dezember 2020.
  • Sarah Karim: “Un/Sichtbarkeit einfordern: Behinderte Menschen zwischen Anerkennung und Stigmatisierung”. Vortrag im Rahmen der Ad hoc-Gruppe „Unsichtbarkeit als Kategorie sozialer Ungleichheit – theoretische und empirische Analysen zu alltäglichen Praxen, Machtverhältnissen und Grenzverschiebungen“ auf dem 40. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, digital, 18. September 2020.
  • Sarah Karim: “Un/doing dis/ability – A Practice Theory approach to working in sheltered and inclusive environments. Vortrag im Rahmen der Konferenz „Histories, Practices and Policies of Disability: International, Comparative and Transdisciplinary Perspectives”. 8th Annual Conference of ALTER – European Society for Disability Research. Universität zu Köln, 5. September 2019.
  • Simon Ledder: „Vehikel oder Barriere der Inklusion? Die Erwerbsarbeit von Menschen mit Behinderungen als Thema des behindertenpolitischen Diskurses in Deutschland“. Vortrag auf der 34. Jahrestagung der Inklusionsforscher*innen “Grenzen.Gänge.Zwischen.Welten“, Universität Wien, 28. Januar 2020 (mit Anne Waldschmidt und Sarah Karim)
  • Workshop: „(Nicht-)Behinderung – ein ‚Dispositiv‘? Einführung und Fallstudien“ auf der Tagung „Zwischen Emanzipation und Vereinnahmung. Disability Studies im deutschsprachigen Raum“, Alice-Salomon-Hochschule Berlin, 20. Oktober 2018
    • Anne Waldschmidt: Wie lässt sich „dis/ability“ mit Hilfe des Dispositivkonzepts nach Michel Foucault theoretisch denken? Eine Einführung
    • Sarah Karim: Das ‚(un-)fähige Selbst‘ im Spannungsfeld von Dispositiven der (Erwerbs-)Arbeit und Inklusion
    • Simon Ledder: Konstruktionen von (Nicht-)Behinderung in digitalen Spielen