Deutscher Kongress für Geographie 2015

Ddkg-2105.logo.headerG-FS-26: Zwischen Sozialkonstruktivismus und Neuem Materialismus: Theoretische Perspektiven auf Verkörperungen von Behinderung

Im Fokus der Sitzung stehen materielle wie diskursive Körperlichkeiten von Behinderungen im Wechselverhältnis zu verschiedenen physischen, v.a. aber auch affektiven Barrieren in der Nutzung gesellschaftlicher Räumlichkeiten.

Unter Einbeziehung der drei dominanten Ansätze im Umgang mit dem Begriff Behinderung – dem medizinischen, dem sozialen sowie dem kulturellen – thematisiert diese Sitzung zum einen die Frage nach den materiellen wie diskursiven Körperlichkeiten von Behinderungen im Wechselverhältnis zu verschiedenen gesellschaftlichen Räumlichkeiten. Zum anderen stehen politische Fragen zu Identität und Macht im Fokus, die u.a. anhand der Konzepte zu Intersektionalität und Diversität kritisch diskutiert werden sollen.

Während Diversitätspolitik in Form der EU-Anti-Diskriminierungs-Richtlinien formal auf die Akzeptanz von Verschiedenheit abzielt und Ungleichheitsstrukturen beseitigen soll (z.B. entlang der Kategorien Geschlecht und (körperliche) Behinderungen), ist sie de facto Teil der neoliberalen Regierungstechnik, die in zunehmender Entsolidarisierung sowie Akzeptanz von Ungerechtigkeit resultiert.

Der ökonomischen Logik folgt auch der gesellschaftliche Imperativ zur Selbststeuerung, zur (körperlichen) Optimierung im Sinne des „unternehmerischen Selbst“. Diesem Imperativ können sich einzelne Subjekte nur schwer entziehen – zugleich lässt sich daran nur scheiten. Dieses „Scheitern“ wird bei Menschen mit (körperlichen) Behinderungen besonders deutlich, da auch die moderne Medizin unweigerlich an ihre Grenzen stößt und „Abweichungen“ von der körperlichen Norm bestehen bleiben.

Die körperliche Materialität und Funktions(un)fähigkeit ist folglich eine trügerische Identitäts- und Differenzkategorie, da Körper ständigen Veränderungen ausgesetzt sind, die neue Identitätspositionen hervorrufen können und die durch politische Diskurse manifestiert sowie durch sprachliche Anrufungen und räumliche Strukturen inkorporiert werden.

Im Fokus auf diese veränderbaren Körperlichkeiten bietet das Intersektionalitätskonzept einen Ansatz, um die Gleichzeitigkeit und Interdependenz gesellschaftlicher Ungleichheitsstrukturen zu erfassen, da es für ein Verständnis von verkörperten Subjekten als komplexes Ineinandergreifen unterschiedlichster Identitäts- und Differenzkategorien plädiert. Die Materialität des Körpers steht in Verbindung mit dem Raum, da Räume aufgrund physischer Barrieren, v.a. aber auch affektiver Wahrnehmungen, unterschiedlich bewertet und genutzt werden.

Für die Sitzung laden wir zu theoretisch-konzeptionellen wie auch empirischen Beiträgen zum Themenfeld „materielle und diskursive Körperlichkeiten von Behinderungen im Wechselverhältnis zu gesellschaftlichen Räumlichkeiten“ ein.

Sitzungsleiter_innen: Julia Richter, Anke Strüver

http://www.dkg2015.hu-berlin.de