CfP: Intersektional + Interdisziplinär: Dis/ability und Gender im Fokus

Interdisziplinärer Workshop, Universität zu Köln, 21.-23.6.2017

Die Intersektionalitätstheorie gehört inzwischen zu den Grundannahmen verschiedener Forschungsfelder. Im Zentrum steht die Frage nach der „Überkreuzung“ (oder „Interdependenz“) der Kategorie gender mit anderen Differenzkategorien wie class und race. Im Anschluss an Kimberlé Crenshaws Begriffsprägung (intersectionality) und Debatten in den USA fand im deutschsprachigen Raum vor allem in den Gender Studies und den Sozialwissenschaften eine umfassende Theoriebildung statt (Walgenbach u.a. 2007, Klinger/Knapp 2008, Winker/Degele 2009, Lutz 2010, Smykalla 2013, Walgenbach 2014, Hess/Langreiter/Timm 2014). In den letzten Jahren wurde Intersektionalität zunehmend auch in den Kultur- und Literaturwissenschaften entdeckt (Schul 2014, Klein 2014, Bedekovic/Kraß/Lembke 2014). Inzwischen hat sich in den unterschiedlichen Fachrichtungen und Forschungsfeldern, von der empirischen Sozialforschung bis hin zu den Kultur- und Literaturwissenschaften, eine Vielfalt von Konzeptualisierungen ergeben. Diese gehen ihrerseits auf verschiedene, quer zu den akademischen Disziplinen stehende bzw. transdisziplinäre Forschungsrichtungen wie die Queer Studies, die Critical Race Theory und auch die Disability Studies zurück. Eine gemeinsame Basis dieser Ansätze bildet die Kritik an Essenzialismen und Naturalisierungen sowie an Normalitätskonstruktionen. Hier liegt auch ein Potenzial zur Vermittlung zwischen sozial- und kulturwissenschaftlichen Perspektiven, um die Fragen nach Ursachen sozialer Ungleichheit und Diskriminierung, nach Identitätskonstruktionen und nach symbolischen Repräsentationen von Differenz interdisziplinär betrachten zu können. Schließlich bietet das Paradigma Intersektionalität auch einen theoretischen Ansatz zur kritischen Auseinandersetzung mit Konzepten wie Diversity und Inklusion.

Einen der zentralen Diskussionspunkte bildet die Frage nach der Erweiterung der drei Kernkategorien race, class, gender um weitere Differenzmerkmale wie Alter, sexuelle Orientierung und schließlich auch dis/ability. Damit schließt die Intersektionalitätstheorie an Einsichten der (feministischen) Disability Studies an, die bereits seit längerem die Interrelationalität von gender und disability in den Blick nehmen (Garland Thomson 1997, Smith/Hutchison 2004, Raab 2007, 2012; Jacob/Köbsell/Wollrad 2010b, Waldschmidt 2010, 2012, 2014; Windisch 2014). Entsprechend ermöglicht es eine intersektionale Perspektive, gender und/oder race und dis/ability nicht additiv, als Faktoren ‚doppelter Diskriminierung‘ zu konzipieren, sondern als interdependente Differenzkonstruktionen zu betrachten. Dabei ist bislang umstritten, ob deren Verwobenheit vorzugsweise „spezifische Formen der Diskriminierung hervorbringt“ (Jacob/Köbsell/Wollrad 2010a: 7) oder die Intersektionalitätstheorie es auch erlaubt, Behinderung „als Möglichkeit partieller Teilhabe und Entpflichtung von sozialen Rollen oder auch als Raum unkonventionellen Seins und eigensinniger Erfahrung“ (Waldschmidt 2014: 881) zu fassen.

Seit die Intersektionalitätstheorie für die Disability Studies fruchtbar gemacht wird, stellt sich umgekehrt auch die Frage, welche Relevanz die Kategorie dis/ability in der Intersektionalitätstheorie erhält. Bilden race, class und gender die drei entscheidenden Strukturkategorien gesellschaftlicher Ungleichheit, die je nach spezifischer Situation durch weitere Faktoren wie Behinderung oder wahlweise auch sexuelle Orientierung, Religiosität, Herkunft erweitert werden können (vgl. Klinger 2012)? Oder sollte stattdessen die ‚klassische‘ Trias um eine vierte Strukturkategorie „Körper“ ergänzt werden (Winker/Degele 2009), die dann auch Behinderung umfassen kann? Oder kommt es darauf an, fallweise jeweils relevante Kategorien in ihren Wechselwirkungen zu betrachten, z.B. gender und disability (vgl. Waldschmidt 2010) oder disability und race (vgl. Erevelles/Minear 2010)?

Mit dem Workshop Gender und Disability Intersektional denken, der im Rahmen eines interdisziplinären Lehrforschungsprojekts an der Universität zu Köln im Juni 2017 stattfinden wird, verbinden sich zwei Zielsetzungen: Zum einen sollen Perspektiven des Paradigmas Intersektionalität für die Gender & Disability Studies ausgelotet werden; zum anderen soll ein interdisziplinärer Austausch zwischen sozial- und kulturwissenschaftlichen Gender Studies und Disability Studies über Intersektionalität erzielt werden. Als Teil eines transdisziplinären Lehrforschungsprojekts im Sommersemester 2017 soll der Workshop Expert_innen verschiedener Fachrichtungen mit Studierenden und Doktorand_innen ins Gespräch bringen. Damit soll der Workshop auch Impulse für studentische Projekte oder Dissertationen liefern.

Mit diesem Call for Papers wenden wir uns insbesondere an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler. Erwünscht sind Vortragsangebote, die sich mit den Leitfragen des Workshops auseinandersetzen. Dies können ebenso Beiträge zur theoretischen Debatte wie zu methodischen Fragen sein. Aufgrund einer Förderung der Universität zu Köln können die Fahrt- und Übernachtungskosten übernommen werden.

Wir bitte um Abstracts (max. 1 Seite) mit kurzen Angaben zur Person bis zum 31.01.2017 an

Veranstalterinnen: PD Dr. Urte Helduser (Institut für Deutsche Sprache und Literatur I, Philosophische Fakultät); Sarah Karim, M.A. (iDiS-Internationale Forschungsstelle Disability Studies); Prof. Dr. Anne Waldschmidt (Soziologie und Politik der Rehabilitation, Disability Studies, Humanwissenschaftliche Fakultät)

PD Dr. Urte Helduser u.helduser@uni-koeln.de

Sarah Karim, M.A. sarah.karim@uni-koeln.de

Prof.in Dr. Anne Waldschmidt anne.waldschmidt@uni-koeln.de